Ski-Hochtour auf den Grand Combin (4.314m)
Achja,
die Franken! Seit dem 16. Jhdt. singen sie aus voller Kehle: „Grüß
Gott, du schöner Maien“. Ob dies aber der Grund für die
mai-typische Überfüllung der Fränkischen Schweiz ist, weiß ich
nicht. Umso sicherer dafür ist, dass die Franken als solche ihre
Kehlen schon immer gern mit vollen Krügen überfüllten. Immerhin
ein guter Grund, sich zur
Frankophilie zu bekennen, die einem
im übrigen auch bei den wahren Eidgenossen weiterhilft –
sprachlich und pekuniär sowieso. Die leben zwar woanders als die
vielen Franken, was aber kein Problem ist, wenn man hinfahren kann,
und es nicht zu voll ist. Schon gar nicht in der Aufstiegsspur.
Hiermit gebe ich es zu:
Ich
bin gern auf Skiern unterwegs. Und: Meine alpinen Ostereier suche ich
seit Jahren schon im frankovielen Unterwallis. Dabei schaue ich oft
auf den Grand Combin, weil man an dem beim besten Willen nicht
vorbeischauen kann. Nur wenn man draufsteht, sieht man ihn nicht.
Also nichts wie rauf, damit ich weiß, wie das dann so ist.
Blickfang
Und
so stehen wir Anfang Mai oberhalb von Bourg St. Pierre und müssen
erst mal ein paar Dutzend Prozessionsspinnern den Vormarsch lassen,
obwohl gar nicht Fronleichnam ist.
Prozession der Spinner
Während
des sonnigen Aufstiegs zur Cab. Vélan sind wir jedenfalls sehr froh,
nicht im fränkischen Gänsemarsch, sondern völlig alleine unterwegs
zu sein. Und das sind wir dann auch auf der Hütte. Außer uns sind
nur noch die Wirtsleute da, die uns exklusiv in ihrem spacigen
Etablissement verköstigen.
Alpenländische Architektur
Das
Wetter ist gut, und das Ziel des Tages ist es auch. Im ersten Licht
spuren wir zum Col de la Gouille, über den wir rauf- und wieder
runterklettern. Nur um dann angeseilt über den Valsoreygletscher zum
Col du Capucins und schließlich erst steil, dann flach unsere
Luxuskörper auf den Mont Vélan (3731 m) zu schieben.
Häkelkurs am Gletscher
Dort
oben hat man dann die beste Sicht. Nicht nur auf das Programm des
nächsten Tages. Nein! Hier oben gibts genügend „Stoff“, um
Pläne für den Rest seines Lebens zu schmieden. Wie gewohnt, kann
man am Grand Combin wieder nicht vorbeischauen. Dafür die
Aufstiegsroute begutachten. Aber soweit sind wir noch nicht.
Robert schaut weg und nicht vorbei
Erstmal
geht es wieder weit runter. Dann wieder weit rauf. Wie man ahnt,
beide Male mit Skiern, wobei der feine Unterschied darin liegt, dass
nach unten die Skier einen selber tragen. Hinauf ist es umgekehrt
Da kann man nicht meckern
Nach
kurzer Rast geht es also drüben wieder rauf, was den Skiern sehr gut
gefällt.
Robert kann es nicht fassen, dass Ski so faule Säcke sind
Immerhin
verhindern sie, dass wir in dem Sulzbapp, den die Mittagssonne im
Hüttenhang veranstaltet, nicht untergehen. Aber eine entnervende
Wühlerei ist das dann schon.
Auf
der Cab. Valsorey schließlich herrscht herrliche Ruhe, da diese
seit dem Vortag nicht mehr bewirtschaftet ist. Und damit auch keine
Haute-Route-Lemminge mehr die Lager verstopfen.
Ruhige Hütte
Dabei
ist eigentlich alles da. Decken, Matratzen, Wasser, Ofen, Holz. Nur
die Nudeln muss man selber hochschleppen. Und das Bier, wenn man es
denn täte. Aber es geht auch mal ohne sehr gut. Jedenfalls liegt in
der Ruhe die Kraft – und die werden wir am nächsten Tag
brauchen.
Hüttenruhe
Außer
uns zieht abends nur noch ein Adler seine Runden um die Hütte, mehr
Trubel brauchen wir auch nicht.
Sebi beim Rundenziehen
Am
nächsten Tag ist dann noch Nacht, was das Frühstück im
Lampengefunzel nicht lustvoller macht. Die Kälte draußen ist auch
nicht schön. Durch Stehen wird sie nicht wärmer, also gehen wir
los. Die Skier rutschen, die Harscheisen kratzen, die Luft beisst
und irgendwann ist dann Schluss mit lustig. Runter von den Brettern,
diese an den Sack und dafür spitzes Eisen an Hand und Fuß.
Schifahren mal anders
Zunächst
steiles Gestapfe, dann Gehacke und Gekraxel und zu guter letzt ein
Holzkreuz, damit man merkt, dass man auf dem Combin de Valsorey
(4184 m) angekommen ist.
Gipfel mit Kreuz
Aber
erst oben ist oben, also müssen wir noch weiter über die
Gipfelschüssel bis zum Combin de Grafeneire (4314 m). Was nah
aussieht, dauert oftmals länger, ist aber irgendwann auch mal
vorbei. Und dann ist man wirklich oben auf oben. Am Gipfel: Ein
malerischer Sendemast, harmonisch und sensibel in die Landschaft
eingepasst. Aber für Steinmänner gibt´s halt echt kein Material,
und wer baut schon einen Schneemann da oben? Dafür kann man
endlich vorbeischauen an ihm...
Gipfel ohne Kreuz
Da
wir in dieser Richtung schon mal unterwegs sind, haxeln wir den Grat
gleich weiter Richtung Mur de la Cote. Und fassen dort den
blödsinnigen Entschluss, dass man diese doch auch mit Skiern
abfahren könne. Robert bezahlt seine Slalomambitionen auf dem
blankeisigen Hang mit einem beeindruckend skilosen Freiflug über
die Randkluft Richtung Serak-Abbruch. Diesen schließt er dann aber
glücklicherweise um Haaresbreite nicht final ab. Dafür darf ich
unter maximalem Kanteneinsatz hinterhereiern und die Reste der
Ausrüstung zusammensammeln, nachdem Robert von sehr viel weiter
unten deutlich hörbar sein Weiterlebenwollen verkündet hat.
Robert mit Flugroute
Schließlich
hatten wir alles Wesentliche beisammen, und nach der Tsessette geht
es durch den Corridor nach unten. Die dort herumliegenden Eisbrocken
wollen behutsam umfahren werden, laden aber trotz grandios
pittoresker Landschaft nicht wirklich zum genüsslichen Verweilen
ein. Denn alles Gute kommt von oben – und da hängt doch reichlich
Nachschub über dem Schädel.
Hochalpine Eiswürfelmaschine
Aufgrund
der einsamen Spur eines offensichtlich ortskundigen Vorfahrers
finden wir zielsicher aus dem Wegverhau heraus und landen irgendwann
am Plateau de Dejeuner, von wo es nur noch irgendwie den Gletscher
runterzufahren gilt. Heißt: Wenn er nicht zu flach wird, und man
zum Skatingexperten mutieren muss. Mit weniger Gewicht an Fuß und
Schulter mag das ja Spaß machen. Aber so hält einen nur noch die
Vision eines taufrischen Bieres aufrecht. Der Rückblick zeigt den
Grand Combin als würdigen Klotz, der schon allein durch schiere
Masse beeindruckt. Vorbeischauen jedenfalls geht schon wieder nicht
mehr.
Robert sieht nichts mehr
Das
Bier gabs tatsächlich auch irgendwann mal real; und zwar auf der
Cab. de Panossière, die aber erst noch mit einem kleinen
Gegenanstieg erobert werden wollte.
Der Zapfhahn ruft
Hier
waren dann auf einmal Leute. Nicht viel, aber immerhin. Wir gewöhnen
uns dran und bekommen dafür Halbpension. Am nächsten Tag geht es
über denselben Gletscher wieder rauf, der aber auf einmal gar nicht
mehr so flach sein will.
Auch von weiter unten kann man nicht vorbeischauen
Irgendwann
wirds uns zu bunt und wir gehen noch mal links rauf. Da ist es
wenigstens eindeutig etwas steiler und oben wartet mit dem Tournelon
Blanc (3707 m) ein weiterer Gipfel. Da es nicht mehr rauf geht,
fahren wir also wieder mal runter und überqueren den elendigen
Gletscher, der uns beim Aufstieg auf den gegenüberliegenden Col
Panossière unter Mithilfe des gleißenden Gestirns noch mal alle
Schweißporen zu Hochdruckstrahlern umfunktioniert.
Schwitzen ohne Sauna
Man
hätte natürlich noch mal auf der Hütte übernachten und tags
drauf den Petit Combin dranhängen können. Aber noch mal den
gleichen Gletscherhatsch? Ohne uns!
Ab
dem Col erwartet uns dafür eine unerwartet schöne und genüßliche
Abfahrt über den Glacier de Boveire...
Gletschersurfen
...zumindest
bis der Schnee ausgeht, und das ist Anfang Mai halt schon deutlich
weit oben. Der Rest des Abstiegs ist dann holpriges Gehaxel und ein
entnervender Rückweg zum Ausgangspunkt.
Spaziergang in geschmeidigem Schuhwerk
Eigentlich
ist eine Tour erst im Tal zu Ende. Zum Glück steht das Auto etwas
weiter droben – das reicht uns diesmal als Zieldurchlauf.
Finisherfoto
Der
Abend sah im Tal einen Kneipenwirt mit schreckgeweiteten Augen, als
ihm bärtig stinkendes Gesindel stammelnd größere Mengen Bier zum
Mitnehmen abverlangte.
Nur
um dann wieder oben – am einsamen Parkplatz mit privilegiertem
Ausblick –mit dem einzig passenden Getränk zu den überfälligen
Tütennudeln anstoßen zu können
Wohlverdientes TAB (TourenAbschlussBier)
„
Dulljö!“
Bild + Text: Sebi